Projekt Virtuelles Obertor (für Radolfzells Stadtjubiläum 2026)

Projektziel

Radolfzells Obertor war eines der vier historischen Stadttore. 1870 wurde es als Verkehrhindernis abgerissen. Lediglich die Wandgemälde auf den angrenzenden Gebäuden („Seniorenwohnanlage Am Stadtgarten“ und „Buchhandlung am Obertor“) erinnern noch daran.
Das Projekt möchte das Stadttor als dreidimensionale Rekonstruktion wieder sichtbar machen, in einem ersten Schritt ähnlich einer Fotomontage, in einem zweiten Schritt als Einblendung auf einem Smartphone, welches die reale Umgebung fotografiert.

Der Fortschritt wird in diesem Beitrag fortlaufend dokumentiert.

Projektabschnitt 1

Zunächst wird am Computer ein räumliches Modell des Obertors auf der Basis von historischen Unterlagen erstellt. Mittels Virtueller Fotografie wird dieses Modell dann vor einem aktuellen Umgebungsfoto platziert, beleuchtet und schließlich “abgelichtet”. So entstehen Digitalfotos, die z.B. in Publikationen verwendet werden können. Die Machbarkeit ist bereits durch eine Voruntersuchung abgesichert, s.u.

Projektabschnitt 2

Weitere (optionale) Schritte sehen die Realisierung einer Erweiterte-Realität-Anwendung vor. Das Obertor-Modell wird dabei auf einem Smartphone mit Kamera automatisch über der erfassten Umgebung eingeblendet. Die notwendige Software soll auf einem Webserver der Stadt so abrufbar sein, dass Benutzer keine separate App installieren müssen. Die Machbarkeit hängt von der Verfügbarkeit geeigneter Softwarebibliotheken ab und muss noch überprüft werden.

Machbarkeitsstudie für Abschnitt 1 (2. 6. 2025)

Das Bild unten wurde als Vorlage für das 3D-Modell verwendet:
Historisches SW-Foto des Obertors Radolfzell vor seinem Abriss 1870.
[Obertor vor Abriss 1870 (Quelle: Stadtarchiv Radolfzell)]

Mittels 3D-Software wurde daraus in Handarbeit das unten gezeigte räumliche Modell erstellt. Dabei mussten viele Details hinzugedacht werden, die in dem Foto überdeckt sind. Einige Details sind sichtbar, aber seltsam, wie z.B. die nach oben leicht spitz zulaufende linke Turmseite. Die ist im Foto schon sichtbar, könnte aber auch auf Kamera-Abbildungsfehler am Rand des Bilds zurückzuführen sein. Für die Machbarkeitsstudie ist das ausreichend, für die finale Variante ist noch etwas Forschungsarbeit an existierenden Gebäuden aus der gleichen Zeit notwendig. Eine naheliegende Möglichkeit wäre z.B. das noch existierende Gartentor in Reutlingen.
3D-Modell des Obertors Radolfzell.
[3D-Modell des Obertors (Version 1)]

Schließlich wurde das Modell wie geplant vor dem Hintergrund eines realen Fotos platziert und analog zur realen Sonnenrichtung beleuchtet, um einen “realen” Schattenwurf zu erzielen:
3D-Modell des Obertors Radolfzell.
[3D-Modell des Obertors (Version 1) vor realem Hintergrund]

Das Ergebnis zeigt, dass der erste Projektabschnitt machbar ist:

Detaillierung des 3D-Modells (Stand 21. 9. 2025)

Nach weiterer Ausarbeitung der im Bild sichtbaren Details des Tors ergibt sich folgende Skizze:

und schließlich die Überarbeitung des weiter oben bereits gezeigten Fotos mit dem neuen Modell:

Abgleich des Modells mit historischen Bildern und den heutigen Realmaßen (4. 11. 2025)

Inzwischen wurde die Lage des Tors in der Umgebung genauer analysiert. Durch 3D-Vergleich des Fotos und dem realen Obertor-Buchhandlungsgebäude ergeben sich folgende Maße: Das Torgebäude war ca. 7.65m breit, 7.90m lang (die Kanzel 9m lang), und bis zur Dachspitze 23m hoch (bis zum Kanzelboden 15.3m hoch). Die Toröffnung selbst hatte eine Breite von 3.15m und eine Maximalhöhe von 4.80m.
Historische Angaben aus dem Jahr 1784 sprechen von 21 Schuh Breite, 30 Schuh Länge und 46 Schuh Höhe. 1 Schuh entsprach ca. 33cm, also ca 7m Breite, 9m Länge und 15m Höhe.

Das heutige Buchhandlungsgebäude hat ein sogenanntes Krüppelwalmdach (d.h. ein Satteldach mit einseitig abgeschrägtem Dachende). Alle historischen Aufnahmen zeigen dagegen ein einfaches Satteldach. Die Vorderfront des Gebäudes (in Richtung Stadtgarten) weist dieselbe Fensteranordnung auf, und die Fenstermaße und -abstände sind ebenfalls gleich wie früher. Allerdings ist die Front in Richtung Straße etwas breiter. Aus dem historischen Foto ist per 3d-Rekonstruktion messbar, dass das Tor nicht bündig mit der Gebäudekante abschließt, sondern ca. 0.5m in Richtung Münster versetzt ist. Im Foto ist eine entsprechende Aussparung des Dachs zu sehen. Das Tor nimmt zusätzlich noch etwa 0.5m von der Vorderfront des heutigen, nach links breiteren Gebäudes weg. Siehe die folgenden zwei Skizzen:


Noch ein wenig Spekulation: Das historische Dach des Buchhandlungsgebäudes war (aus dem Foto messbar) niedriger und weniger steil als das heutige. Sollte die (auf dem historischen Foto nicht sichtbare) rückseitige Dachfläche gleich wie auf der Vorderseite geformt gewesen sein, wurde das heutige Gebäude nach Abriss des Obertors um einige Meter in Richtung Münster vergrößert.

Visualisierung des Tors (eingefügt in die heutige Umgebung, 2. 12. 2025)

Für einige ausgewählte Fotos der Umgebung aus verschiedenen Perspektiven wurde jeweils die Position abgeglichen und die jeweilige Beleuchtungs- und Schattensituation durch eine virtuelle Sonne nachgebildet. Danach wurde das Tormodell belichtet und mit der Realumgebung überlagert. Dabei sind die folgenden 6 Bilder entstanden:

Wird fortgesetzt……